Mark van Huisseling | Kolumnist | Magazin Zürich

26. Oktober 2017
Lese-Tipp

Letzter Halt Bahnhofstrasse

Mit spitzer Feder, tiefschwarzer Tinte und ohne Blatt vor dem Mund, hat Mark van Huisseling einen Roman geschrieben. Ein richtig gutes Buch, finde ich.

Wer Mark van Husseling kennt, und das tun nicht wenige, der kennt den Journalisten namentlich als Verfasser von Kolumnen. Kolumnen notabene, die es in sich haben. Giftig, wie manche behaupten, sind sie zwar nicht, polarisieren hingegen tun sie schon. In eben dieser Manier hat MVH nun einen Roman geschrieben. Warum ich diesen gut finde und um was es geht, das liest sich hier.

Zürich hat seine Figuren. Figuren, über die gelacht, den Kopf geschüttelt, gestutzt und gestritten, für oder gegen die Partei ergriffen wird. Sie produzieren Skandale, dass einem Angst und Bange wird, scheren sich einen Dreck um Konventionen, sind etwas übergeschnappt, in hübscheren Worten ausgedrückt elitär, und werfen grosszügig mit Geld um sich – am liebsten mit unverdientem und fremdem. Wenn irgendwie möglich, beides und mit beiden Händen. Affären haben sie auch und verlieren dabei nicht nur die eigene Familie aus den Augen, sondern auch ihre Bodenhaftung. Letzteres hat fallweise damit zu tun, dass auch vor dem Konsum gefährlicher, sprich verbotener Substanzen nicht Halt gemacht wird.

Verdichtet man Stoff wie diesen zu einem Extrakt, kommt grosses Kino raus. Oder, wie in diesem Fall, ein handfestes Buch. Ein Roman notabene, der vieles ist, langweilig aber ganz bestimmt nicht, der dafür dieses und jenes auf den Punkt bringt, zum Nachdenken anregt und den Leser grinsen lässt. Und weil ich möchte, dass möglichst viele dieses Buch lesen, also kaufen, mache ich etwas, das ich sonst nicht mache. Ich veröffentliche einen Ausschnitt davon. Quasi als Teaser. Here we go:

«Der schönste Ort der Welt, für mich. Ich möchte nirgendwo anders sein, ich könnte hier bleiben», sagte Beat Suter und nahm einen Schluck von seinem Rotwein, einem Ribera del Duero. «Du hast recht, babe», sagte Sandra Ruprecht Suter, seine Frau, und nahm einen Schluck von ihrem Detox Le Jardin, einem grüngelben Saft aus Gurke, Sellerie, Karotte, Apfel und Ingwer, und dachte: Interessant, vor drei Jahren kannte er die Insel bloss vom Hörensagen. Bevor er bereit war, sie sich auch nur einmal anzusehen, musste ich Flüge sowie eine Boutique-Finca mit nur vier habit ciónes buchen und ihm sagen: «Dieses Jahr feiern wir meinen Geburtstag auf Ibiza, das ist mein einziger Wunsch zum 30. Und es wird dir gefallen.»

Beat nahm einen Schluck Wasser – «zwei Glas Wasser ohne Kohlensäure, ein Glas Wein und morgen no carbs» war sein Grundsatz, wenn er Alkohol trank – und blickte über seine Terrasse und seinen Infinity Pool, hinter dem, so sah es aus, das Mittelmeer begann und wo im Licht der untergehenden Sonne die Umrisse der Nachbarinsel Formentera gerade noch zu erkennen waren. Den Sonnenuntergang konnte er von seinem Grundstück aus nicht sehen, denn sein Haus lag ab 16 Uhr im Schatten. Dafür war es zirka 600 000 Euro günstiger gewesen, und seither sagte er allen: «Morgensonne – nicht zu schlagen …»

600 000 Euro günstiger, dachte er. Das heisst, so war es, bevor Sandra das Haus, das er vor zwei Jahren jemandem abgekauft hatte, der es zweieinhalb Jahre zuvor hatte neu bauen lassen, «upgradete». Er hatte es, ocker wie es war, in Ordnung gefunden, sie hatte es mittelmässig gefunden, wie sie sagte. Das heisst, sie hasste es. Sie hatte gesagt: «Ein Haus am Meer muss weiss sein. Und die Platten auf der Terrasse und um den Pool sowie im Haus müssen ebenfalls weiss sein.» Und der Pool müsse ein Infinity Pool sein, weil Terrakotta-Platten und ein gewöhnlicher Pool – eben gewöhnlich seien. Sandra hasste alles Gewöhnliche.

«Wie du meinst, Sandy», hatte er gesagt und gedacht: 250 Quadratmeter weisse Platten aus dem Baumarkt-Inseläquivalent plus ein paar Liter Farbe «Verkehrsweiss», plus zirka 160 Mannstunden von vier Philippinos gleich 20 000 Euro. Oder 30 000. Oder, allerhöchstens, 45 000. Und dann vielleicht doppelt so viel für den Infinity Pool, den er selber eigentlich auch wollte, weil ein gewöhnlicher Pool – eben gewöhnlich war. Und Beat Suter, CEO der Bank Helfenstein, seine ganze Laufbahn, sein ganzes Leben im Grunde eines nie gewollt hatte: gewöhnlich sein. Und zu einem kleineren Teil, weil Sandra gesagt hatte: «Stell dir vor, was man für Sachen machen kann in einem Infinity Pool, wenn einem niemand dabei zuschauen kann.» Also plus 10 000 Euro für die blickdichte grüne Wand, die Sandra um das Grundstück herum bauen lassen wollte. Das heisst, unter Berücksichtigung der fehlenden Abendsonne und des nicht sichtbaren Sonnenuntergangs, was Sandra beim Kauf irgendwie nicht bemerkt oder jedenfalls nicht als mittelmässig bezeichnet und abgelehnt hatte, hatte er 455 000 Euro gespart, so kam Suter zum Schluss seiner Berechnungen. Den Kaufpreis des Hauses von 2,4 Millionen vernachlässigte er, weil Immobilien sichere Werte seien und der Wert einer Villa in Spanien fast nicht sinken könne.

Das war die Sicht, die Suter auf die Welt hatte: Er war 455 000 Euro up. Die Wirklichkeit aber sah anders aus. Wie anders und wie eines zum andern führt, aber bestimmt nicht zum Guten, dafür ins Chaos, das lässt sich auf 240 geistreichen Seiten in Erfahrung bringen. Beschaffen lässt sich das Buch auf dieser Seite. Erstens durch einen einfachen Klick, zweitens mit einem recht kleinen Investment. Ein Konditor-Frühstück bei Sprüngli, nur als leicht verständliches Beispiel, kostet einige Franken mehr. Köstlich finde ich beides.

Das Buch erscheint im Müsterverlag. Bestellt werden kann und darf es hingegen hier, also bei Mark van Huisseling selbst. Und zwar zum Preis von CHF 25.— plus Versand. Und falls das Buch als Geschenk gedacht ist, was ich eine grandiose Idee finde, schreibt der Autor auf Wunsch eine passende Widmung rein. Was ich gleichermassen genial finde, denn solcherlei macht das Präsent persönlich und bietet die Möglichkeit, dem Empfänger eine kleine Botschaft zukommen zu lassen. Und wo ist man da besser aufgehoben als bei Mark van Huisseling himself?

Buch bestellen

Text: Urs Blöchliger | Fotografie: Tobias Stahel

4 Kommentare
  1. Mark van Huisseling
    Mark van Huisseling sagte:

    Hi, Urs Blöchliger

    Vielen Dank für den Beitrag über meinen neuen Roman „Letzter Halt Bahnhofstrasse“. Hat mich sehr gefreut. Es wäre lässig, falls der eine oder andere Leser von dir auch ein Leser von mir würde – und darum ein Buch bestellt. Keep up the good work. Herzliche Grüsse
    PS. Wär mich gerne live und in Action erleben möchte – am 15. Dez., 17.30 Uhr, lese ich im neueröffneten Valsana-Resort in Arosa. Der Eintritt ist frei.
    Mark van Huisseling

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    • Urs Blöchliger
      Urs Blöchliger sagte:

      Lieber Mark. Das ist cool. Wünsche dir in Arosa ein zahlreiches Publikum und viele neue Leser. Nur das Beste für dich und dein Buch. Urs B.

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  2. Judith N.
    Judith N. sagte:

    Auch ich habe das Buch gelesen und genossen. Und – viel wichtiger – empfehle es. Als Baslerin in Zürich – und nicht in der Zürcher Upperclass unterwegs – fragt man sich unweigerlich, was ist Fact und was Fiction. Besonders gefallen hat mir wie die Hauptakteure die Bühne betreten. Sprachlich hat es mich nicht in allen Belangen zu überzeugen vermocht. Alles in allem würde ich mich aber über eine Fortsetzung freuen. Und wie wir ja alle wissen, schreibt das Leben die besten Geschichten und liefert sicher genug Facts, um angereichert mit Fiction, einen zweiten Wurf zu landen.

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    • Urs Blöchliger
      Urs Blöchliger sagte:

      Liebe Judith, grüezi
      Danke für deinen Kommentar. Geht mir ähnlich und ich würde mich ebenfalls auf eine Fortsetzung freuen. Möglichst bald. Habe ob Mark’s Schreibstil mehr als einmal gelacht und die einzelnen Figuren rundum genossen. Und wie du es richtig formuliert hast: Das Leben liefert Unmengen an Material für gute Geschichten. Was es zuweilen braucht, ist der richtige Verstärker. Einer, der diese «Abenteuer» auf Papier kriegt.

      PS: Lieber Mark, du liest es hier: Eine Fortsetzung muss her 🙂

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