Fuck you, Black Friday | Markus Cavegn | Magazin Zürich

18. Januar 2018
Editorial

Fuck you, Black Friday

Es gibt gute Gründe, sich über die Amerikaner lustig zu machen. Einer davon ist die fehlende Bildung in weiten Teilen der USA. Ein weiterer, dass sie sich als Mittelpunkt der Welt betrachten. Dass sie viel albernes Zeugs von sich geben und noch mehr davon produzieren, sind zwei weitere Argumente. Was mir aber wirklich auf den Sack geht, ist die gedankenlose Fügsamkeit, mit der wir diesen Quatsch übernehmen. Und uns dabei «great» fühlen.

Viele Amerikaner haben einen, ich sag jetzt mal, unterentwickelten Sinn fürs Detail. Ohne jetzt vom einzelnen US-Bürger auf das ganze Volk zu schliessen. Andererseits macht schon stutzig, dass 9 von 10 Amerikanern an der wissenschaftlichen Evolutionstheorie zweifeln und stattdessen glauben, dass Gott beim Erschaffen des Universums die Hände im Spiel hatte. Ob das in den USA ein reines Bildungsding oder eher schon eine Systemsache ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Fakt aber ist: Menschen, die lieber glauben als denken, lassen sich ziemlich bequem in jede gewünschte Marschrichtung bugsieren. Will sagen, in die Irre führen. Man kann sie klein halten. Ihnen Lügen erzählen, sie kontrollieren und abkassieren. Sie abhängig machen. Ihnen de facto vorsagen oder diktieren, was richtig oder falsch ist. Mit je mehr Schwachsinn man diese Menschen bombardiert, umso besser klappt das.

Es geht um Kontrolle und Ablenkung
Alles, was es dazu braucht, ist eine geschmierte Konsummaschinerie. 24 Stunden pro Tag, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr. Ihr denkt, es gehe dabei um Arbeitsplatzbeschaffung? Für 7.25 Dollar Mindestlohn die Stunde? Wo die Mittelschicht verloren geht, die Ober- und Unterschicht hingegen wächst? Seid ihr noch bei Trost? Es geht um Kontrolle. Um Manipulation. Darum, dass der, der mit Konsumieren beschäftigt ist, nicht motzt. Es geht um gezielte Ablenkung von Korruption, Machtmissbrauch, Inkompetenz und Vetternwirtschaft. Mit Zweck und Absicht, Arbeitslosigkeit, Armut, Krieg und Zerstörung vergessen zu machen. Das marode Gesundheitssystem mit einem Schleier zu bedecken. Den Klimawandel zu verleugnen.

Dinge produzieren, die keine Sau braucht
Derweil die Lunte am Planeten Erde unaufhaltsam Richtung Finale brennt, mutmasst auch der letzte Hinterwäldler, dass weniger konsumieren nicht der dümmste Weg ist, die zur Neige gehenden Ressourcen zu schonen. Ein Gedanke aber, der zulasten des Wirtschaftswachstums ginge. Und das will ums Verrecken niemand. Insbesondere nicht der Amerikaner. Der ist vielmehr Weltmeister darin, Bedürfnisse zu erschaffen, wo gar keine sind. Dinge zu produzieren, die keine Sau braucht, jeder Depp aber haben will. Frei nach dem Motto «Werbung macht das Leben leichter». Selber schuld, wer zu blöd ist um zu begreifen, dass «weisser als weiss» nicht geht.

Es geht um gezielte Ablenkung von Korruption, Machtmissbrauch, Inkompetenz und Vetternwirtschaft.

Sinnentleerung ist gefragt
Massvoll verbrauchen? Bewusst konsumieren? Kritisch hinterfragen? Habt Ihr sie noch alle? Das System funktioniert andersrum. Sinnentleerung ist gefragt. Wenn möglich, ab Grösse Large. Besser noch XL oder gar XXL. XXXL hingegen, das wäre so richtig geil. Dank dem Einsatz von Kreditkarten, dem einfachen Zugang zu Darlehen, Abzahlungsgeschäft und Leasing ist dieser Konsum-Marathon auch finanzierbar. Vorsicht vor Verschuldung? Scheiss drauf! Wer in kulturellen und sozialen Erfahrungen eingeschränkt ist, definiert sich halt durch Verbrauch und Besitz. Und wenn Uncle Sam sagt, «du machst genau das Richtige», und es auch noch im ganz grossen Stil vormacht, dann wird das schon stimmen. Sagt sich der brave Mann von der Strasse, klatscht in die Hände und berauscht sich an Black Fridays und Cyber Mondays.

Und wir ennet dem grossen Teich? Wir jubeln im Chor mit, sagen bravo, verkleiden uns gfürchig, klingeln an Nachbars Tür, fordern «Trick or Treat» und machen uns zum Affen. Als hätten wir selber kein Brauchtum und seien zu doof, um eigenständig zu denken und zu handeln.

Zur Karikatur
Ich mag Leute, die aus der Reihe tanzen. Markus Cavegn tut das mit Scharfsinn und Humor. Hübsch dosiert, manchmal auch nicht, aber stets wunderbar authentisch. Seine Karikaturen, so finde ich, machen Ideen, Themen und Charaktere sichtbar. Und damit greifbar. Andere Beiträge dazu gibt es bereits, weitere werden folgen und alle können an dieser Stelle nachgelesen werden.

  • Markus Cavegn
  • Urs Blöchliger
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