5. Februar 2018
Abschalten, runterfahren, die Seele baumeln lassen
Reethi Beach – Insel mit Vorbildcharakter
Nachhaltigkeit, Arten- und Naturschutz sind grosse Worte. Hier aber sind sie ein klares Glaubensbekenntnis. Und das Ergebnis lässt sich hautnah erleben.
Wenn wir in fernen Ländern Urlaub machen, fliegt das schlechte Gewissen wahrscheinlich immer mit. Mittlerweile weiss alle Welt, dass mit jedem Flug Unmengen an Kohlendioxid freigesetzt werden. Und wir damit einen grösseren ökologischen Fussabdruck hinterlassen, als dem Planeten gut tut. Mit anderen Worten: Wir leben auf zu grossem Fuss. Konsequent wäre, auf das Reisen zu verzichten – das will aber niemand. Oder, auch das ist ein Weg, finde ich, sich seiner Öko-Bilanz bewusst zu werden.
Verantwortung übernehmen
Das war noch eine etwas vage Vorkehrung. Darum jetzt eine konkrete: Verantwortung übernehmen. Sich Destination und Partner aussuchen, die auf Nachhaltigkeit setzen. Solche, die Natur- und Artenschutz thematisieren und die natürlichen Ressourcen schonen. Kein einfaches Unterfangen, schon klar, nicht alle Touristikunternehmen nehmen das ernst, aber was ist schon einfach? Wichtig ist in meinen Augen, dass man sich hinhockt, die richtigen Fragen stellt, auch an sich selber, gut zuhört, weitere gute Fragen stellt und zum Schluss eins und eins zusammenzählt. Wer nicht schummelt, kommt auf zwei. Was ich sagen will: Kritisch sein ist gut. Wir müssen sogar kritisch sein. Aber auch realistisch. Mit dem Flugzeug reisen ist zwar per se ein Widerspruch zu ökologischem Handeln, Urlaub machen wir trotzdem auch weiterhin. Für diese, sagen wir merkwürdige, Einstellung zur Umwelt müssen wir Verantwortung übernehmen.
Wir haben das gemacht. Das mit dem Hinsetzen, Fragen stellen, Zuhören und Nachdenken. In Zürich mit Andreas Zgraggen und Thomas Meier von Manta Reisen. Auf Reethi Beach mit dem Generaldirektor Peter Gremes und einigen Mitarbeitenden. Dort haben wir auch mit den Meeresbiologen Paul Marshall und Ameer Abdulla von Reef Ecologic geredet. Zusätzlich waren wir, ebenfalls von Manta organisiert, auf der einheimischen Insel Dharavandhoo und liessen uns von Lisham, einem von vier Brüdern mit total identisch klingenden Namen, ihr Guesthouse zeigen. Welches, nur nebenbei bemerkt, in Sichtweite des Unseco-Biosphärenreservats Hanifaru Bay liegt und nicht nur für Rucksacktouristen eine gute Option ist. Die Herzlichkeit und Fürsorge, mit der uns Lisham durch den Tag begleitete, straft unser Hotel-Sterne-Kategorie-Denken in der Schweiz Lügen. Auch das sei am Rande erwähnt.
Kleine Ursache, grosse Wirkung
Über die Malediven hört man viel. Und um bei den Tatsachen zu blieben, nicht nur Gutes. Von Korruption ist die Rede. Von Misswirtschaft, Ignoranz, Müllbergen, Korallenbleiche und Überfischung. Vom Klimawandel und seinen Auswirkungen ganz allgemein. Stimmt alles. Auch, dass wir Touristen an den desolaten Zuständen mitschuldig sind. Stellenweise ziemlich direkt. Richtig ist aber auch, dass die ganze Wahrheit, wie immer, selten einfach zu erfassen ist und auf jeden Fall ausführlicher beschrieben werden muss, als es hier auf einigen Zeilen möglich ist. Darum geht es auch nicht. Eigentlich geht es darum, dass selbst mit wenig bemerkenswert viel bewirkt werden kann. Man muss nur wissen, wo das Problem liegt, sich im Klaren sein, worin die Konsequenzen liegen und herzhaft mitmachen. Das Motto „kleine Ursache, grosse Wirkung“ funktioniert also auch hier.
Keine Ahnung, wie viel Zeit wir in Zürich, auf Reethi Beach und auf Dharavandhoo gesamthaft zusammengesessen und den Leuten an den Lippen gehangen haben. Gezählt habe ich die Stunden nicht, aber einiges mitbekommen. Mehr als in jedem bisherigen Urlaub. Zum Beispiel, wie die inseleigene Wasseraufbereitung funktioniert, oder die Abfüllanlage. Dass die Mücken auf Reethi Beach ökologisch und nicht mit Gift bekämpft werden, notabene erfolgreich, und welcher Ansatz dahintersteckt. Wie knifflig es ist, sämtliche Lebensmittel, aber auch Diesel für die Generatoren und zur Stromerzeugung mit dem Schiff zu importieren. Warum verlässliche Messungen zu Wassertemperatur, Strömungen und Zustand der Korallen wichtig sind und wie es kommt, dass auf den Philippinen Massnahmen zur Erhaltung der Riffe Erfolg haben, im Great Barrier Reef ebenfalls – auf den Malediven hingegen nicht. Wie komplex diese Zusammenhänge sind und wie empfindlich das fragile Ökosystem reagiert, in dem wir, meist ziemlich gedankenlos, unseren Urlaub verbringen.
Die Erwartungen anpassen
Wer im Internet Malediven googelt, findet Angebote in Hülle und Fülle. Weniges davon ist, nach meiner Meinung, seriös. Irgendwie liegt der Fokus falsch. Statt auf Nachhaltigkeit, Arten- und Naturschutz setzt die Industrie auf künstlich erschaffene Schein- und Spasswelten. Auf Verschwendung und sinnlosen Komfort statt auf gesunde Umwelt und unverfälschte Abenteuer. Das aber ist exakt der Punkt. Auf den Malediven soll man das tun, wofür sie prädestiniert sind, das heisst, und jetzt zitiere ich Peter Gremes, «Abschalten, runterfahren, die Seele baumeln lassen und sich an der einzigartigen Unterwasserwelt erfreuen.» Und sich, wieder meine Worte, darüber im Klaren sein, dass die Inseln in der Regel klein sind und mitten im Indischen Ozean liegen. Mit anderen Worten: Man tut sich selber etwas Gutes, wenn man, erstens, diese Tatsache schätzt und, zweitens, die Erwartungen anpasst.
Es ist so: Reethi Beach ist nur eine von rund 130 Möglichkeiten, auf den Malediven Urlaub zu machen. Reethi Beach aber ist, sagen wir, und untertreiben dabei ein klein wenig, ein Glücksfall. Hier stimmt alles. Nirgendwo sonst auf den Malediven haben wir diese Hingabe für eine intakte Natur derart intensiv erlebt. Durften sie mit eigenen Augen sehen und am eigenen Leibe erfahren (nicht ein einziger Mückenstich). Haben verstanden, weil man uns, anhand von lehrreichen Beispielen, begreiflich gemacht hat, wie alles zusammenhängt. Dazu braucht es Vorbilder. Dazu braucht es Typen wie Peter Gremes, Paul Marshall, Ameer Abdulla und Lisham. Und Partner, die deren Visionen, Berufungen und Projekte unterstützen. Nicht mit Worten, hübschen Broschüren und Blabla, sondern mit Taten. Mit langfristigen Strategien, klugen Konzepten, Manpower und Geld. Ja, mit Geld auch. Unsere Umwelt soll uns etwas wert sein, finde ich.
Im lockeren Gespräch mit entkrampften Menschen
Zum Schluss noch dies: Uns allen ist klar, dass Berichte, auch dieser, Aufstellungen, Zahlentafeln, Beteuerungen und markige Aussagen am Ende des Tages nichts anderes sind als eben Zahlen und Worte. Beides kann man schönreden und frisieren. Umso grösser mein Anliegen: Die oben ins Feld geführten Argumente und Darstellungen sind bedingungslos entstanden. Im lockeren Gespräch, mit entkrampften Menschen. Obschon es tausend Gründe gäbe, wurde nie geschimpft, der Mahnfinger gehoben oder verurteilt. Dafür viel aufgezeigt. In einen grösseren Zusammenhang gestellt. Erklärt und bildhaft belegt. Wer immer kann, soll sich mit solchen Leuten zusammensetzen, von ihnen lernen und daran reifen.
Text: Urs Blöchliger | Fotografie: Urs Blöchliger
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