19. November 2019
Einer, der im Grunde nichts verkaufen will
Möbel gibt es auch zu kaufen
Zur Hauptsache entwickelt Andreas Schwarz vom Neumarkt 17 aber Einrichtungslösungen.
Wer ein Möbelgeschäft betritt, hat vielleicht eine Vorstellung: grosse, hohe, kahle Säle, damit die ausgestellten Tische, Stühle, Bänke et cetera wirken und das Augenmerk der Besucher auf sich ziehen können. Solche Räume gibt es auch im Möbelgeschäft mit Namen Neumarkt 17, das sich seit 1964 an dieser Adresse befindet. Es gibt dort, in den drei Altstadthäusern, in deren Mitte sich ein überdachter Innenhof befindet, aber auch andere Räume – kleine, verwinkelte, von auffälligen Metallträgern abgestützte Kabinette oder Bereiche, in denen ein Eisenrost als Boden dient und den Blick durch den transparenten Untergrund schweifen lässt.
Mit anderen Worten: Die seit 1995 von Andreas Schwarz, 54, geführte Einrichtungsfirma ist in einem Lokal untergebracht, an dem einige Voraussetzungen nicht ideal sind für ein Möbelgeschäft. Falls man als Massstab, was falsch und richtig sei, ein klassisches Einzelhandelsverständnis nimmt – was man hier nicht tut. Und das ist vielleicht der Grund, warum das Unternehmen mit 14 Mitarbeitern auch unter der Führung des Sohns der Firmengründer Liz und Fritz Schwarz überdurchschnittlich erfolgreich ist.
Ein grosser Teil unseres Geschäfts ist es, Lösungen zu verkaufen, nicht Möbel», sagt Schwarz. Mit Lösungen meint er, für Kunden Einrichtungen zusammenzustellen und passende Farben an die Wände zu bringen. Er ist ein wichtiger Verkaufspartner der britischen Manufaktur Farrow & Ball, deren Farben Namen haben wie «Parma Gray», «Red Earth» oder «Mole’s Breath», was, nebenbei erwähnt, übersetzt Maulwurfs-Atem heisst. Ein Farben-Showroom befindet sich in weiteren besuchens- und sehenswerten Oberdorf-Räumlichkeiten ganz in der Nähe; Schwarz nennt das Haus an der Predigergasse 14, das er seit einigen Jahren mietet, «Loft», er stellt dort auch das in seinem Auftrag hergestellte Regalsystem Montana in verschiedenen Ausführungen vor.
Man merkt, wenn man mit Schwarz durch die etwa zwei Dutzend verschiedenen Räume des Neumarkts 17 streift, dass er ein guter Verkäufer ist. Weil er im Grunde nichts verkaufen will. Immer wieder kommt man an Skulpturen oder Modellen vorbei, die nicht käuflich seien, wie er sagt. Weil es sich dabei um Sammlerstücke seiner Mutter Liz, geborene Baumann handelt , einer Tochter der grossen Langenthalter Stofffamilie, oder um Objekte von seinem Vater Fritz, gewesener Architekt und Mastermind hinter dem aussergewöhnlichen Anwesen in Zürichs Altstadt.
Im Normalfall kommt man in der Ausstellung aber an Möbeln vorbei, die sehr wohl zum Verkauf stehen. «Etwas weniger als eine Woche Ferien mit der Familie. Für ein Stück, mit dem Sie zehn Jahre oder länger zusammenleben», sagt Schwarz, wenn man zum Beispiel nach dem Preis eines Sofas fragt. Den Betrag in Franken teilt er natürlich auch mit. Man merkt aber, dass er diesen nicht als das Entscheidende einschätzt. «Man sollte nichts verschieben, sondern heute leben und geniessen», sagt er vielleicht noch. Und das ist kein Verkäuferspruch, sondern seine Überzeugung.
In den vergangenen fünf Jahren habe der Verkauf von Polstermöbeln des österreichischen Familienbetriebs Wittmann stark angezogen, sagt Schwarz. Zurzeit etwa seien die von den Designern Jamie Hayon und Sebastian Herkner entworfenen Sofas und Sessel der Marke gefragt. Antonio Lionti, 53, Wittmann-Geschäftsführer in der Schweiz und ein Neumarkt-17-Partner, sagt: «Das kann ich nur bestätigen. Die Designerkooperation hat unserem Haus wirklich gutgetan.»
Ein paar Schritte entfernt vom Neumarkt 17 befindet sich die «Bauernschänke». Obwohl man einen urban-stilvollen Menschen auf den ersten Blick vielleicht nicht in einem Restaurant mit diesem Namen erwarten würde, isst Schwarz gern und häufig dort. Was damit zusammenhängt, dass die Bauernschänke-Beteiber, darunter Nenad Mlinarevic, Gastronomieunternehmer und Gault-Millau-Koch des Jahres 2016, das Lokal mit Namen übernommen haben. Und das, was dort aufgestellt wird, nur insofern bäuerlich ist, als nach Möglichkeit mit lokalen Zutaten gearbeitet wird.
«So gekonnt, wie man alles Einfache machen muss, damit es richtig gut ist.»
Mit Mlinarevic versteht sich Schwarz gut. Was vielleicht damit zu tun hat, dass beide einen ähnlichen Ansatz in ihrem Berufsleben verfolgen: Sie machen etwas im Grunde einfaches – der eine verkauft Möbel und richtet Häuser ein, der andere kocht und überlegt sich Entwürfe für neue Lokale –, aber so gekonnt, wie man alles Einfache machen muss, damit es richtig gut ist.
Mlinarevic hat ein, sagen wir, «Studio» am Kreuzplatz, Luftlinie zirka einen Kilometer vom Neumarkt gelegen. Alle Möbel, die es darin gibt, sind aus dem Neumarkt-17-Programm, ausser einem 4 Meter langen Holztisch. Manchmal sitzt der Küchenchef mit Mitarbeitern daran, um neue Menüs oder Restaurants zu entwickeln, manchmal empfängt er dort Geschäftspartner. Und manchmal Gäste, die den Tisch sowie das Essen, das einer der interessantesten Küchenchefs der Schweiz sur place zubereitet, für private Anlässe gebucht haben. Die Schwelle, die überschritten werden muss, ist nicht ganz niedrig also.
In Andreas Schwarz’ Geschäft dagegen kommt jeder rein, der sich für schöne Möbel und ebensolches Wohnen interessiert, ohne Probleme. Er muss bloss die Eingangstüre am Neumarkt 17 aufstossen.
Text: Mark van Huisseling | Fotografie: Karine & Oliver
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