25. November 2019
Der wahre Trumpf des Aussendienstlers
Claudio Nicolazzo über sein Metier
Von vielen wird sie belächelt und einigen bereits totgesagt. In Tat und Wahrheit jedoch legt die Profession Aussendienst massiv an Bedeutung zu.
Unter Aussendienst versteht der Laie die Tätigkeiten eines Handelsreisenden. Der im Auftrag des Arbeitgebers Kunden besucht und dort Verkaufsgespräche führt oder eingefädelte Geschäfte zum Abschluss bringt. Zum einen. Zum anderen ist er Betreuer und Berater. Manchmal Retter in der Not. Und damit besonders nah beim Kunden. In anderen Worten: Er hat das Ohr am Markt. Den Finger am Puls der Zeit.
Der Alltag eines Aussendienstmitarbeiters, so wie ich ihn erlebe, ist abwechslungsreich und spannend. Kein Tag gleicht dem andern. Aussendienstler sein bedeutet auch, Unternehmer im Unternehmen zu sein. Was eine Portion Mut erfordert und das Talent voraussetzt, sich selbst organisieren und motivieren zu können. Obendrauf ist nirgends im Unternehmen die Erfolgskontrolle so schonungslos wie beim Aussendienst. Weil blanke Zahlen, Daten und Fakten selten schwindeln und daher wenig Spielraum für wohlwollende Interpretationen zulassen. So die Sachlage. Damit muss man umgehen können. Und leben wollen.
«Auf die Zwischentöne achten.»
Seit einiger Zeit, so meine Beobachtungen und Wahrnehmungen, verändern sich die Aufgaben. Zwar gehört es nach wie vor zu unseren Schlüsselfunktionen, Aufträge reinzubringen und Umsätze ansteigen zu lassen. Andererseits gewinnen Markt- und Kundenbeobachtung zunehmend an Bedeutung. Was kein Verkaufsjob, sondern in erster Linie Marketinghandwerk ist – und vom Unternehmen gezielt gefördert wird. Weil hier Potenzial liegt, das sich zu Geld machen lässt, vor allem mittel- und langfristig. Was, das leuchtet ein, die Existenz der Firma und seiner Mitarbeitenden sichert.
Mit anderen Worten: Die Erde dreht sich. Und wir Aussendienstler müssen uns mitdrehen. Falls man Drehen als Entwickeln versteht. Und Entwickeln darin besteht, sich vom Hinhören zu verabschieden und stattdessen zuzuhören. Um herauszufinden, was der Kunde tatsächlich meint oder zu sagen hat. Sich in ihn hineinversetzt, ihm volle Aufmerksamkeit schenkt und dabei nicht nur auf den Inhalt, sondern auf die Zwischentöne achtet. Was in der Zeit der Digitalisierung nicht wenig ist und angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich der Markt verändert, eine ziemliche Herausforderung sein kann. Nirgends aber bekommt man bessere Informationen über Marktveränderungen sowie Verhalten und Absichten der Mitbewerber.
Summa summarum sind das allein schon ziemlich gewichtige Vorteile. Allerdings ist der wahre Trumpf im Ärmel des Aussendienstlers ein anderer. Nämlich der, dass aktives Zuhören den kreativen Denkprozess fördert. Was Raum für Innovationen schafft und damit den Weg ebnet, Dinge zu kombinieren – auch solche, die zuvor unvorstellbar waren. Woraus Lösungen resultieren, die anregen, aufregen und anstecken. Manchmal auch anecken. Das gehört dazu im Leben eines Aussendienstlers.
Text: Claudio Nicolazzo | Fotografie: Karine & Oliver
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