Urs Blöchliger | Publizist | Magazin Zürich

21. Februar 2017
Mehr Schein als Sein

Luxus auf Abwegen

Wurde Protzen einst als dekadent und neureich empfunden, schuggelt sich diese Unsitte unweigerlich in den Alltag. Dazu hab ich eine Frage:

Wenn minderjährige Gören in Jimmy Choo, Chanel, Gucci, Prada und anderen ach-so-angesagten Fashion-Knallern wichtigtun und testosterongesteuerte Jungfussballer mit monströsen Big-Bangs und Fliegerchronographen, jeweils im Preissegment eines Kleinwagens, auf dicke Hose machen, spricht man da noch immer von Luxusgütern? Echt jetzt?

Bis anhin war ich der Meinung, materieller Luxus repräsentiere Erfolg plus Status und demonstriere eine süperbe Lebensform. Süperb im Sinne von «auserlesen, dünngesät und hochwertig». Na gut, okay, ein Quäntchen Eigenbelohnung und Selbstverwirklichung haben da ebenfalls Platz. Und ja, dass die Wahrnehmung und Interpretation von Luxus einem steten Wandel unterliegt, das bringe ich intellektuell auch auf die Reihe.

Schrittweise Verluderung
Problematisch wird es für mich dann, wenn es um 180 Grad in die andere Richtung läuft und eine ehedem kostbare Besonderheit auf der Marschroute dorthin Schritt für Schritt mehr verludert: Ich meine, da schütten sich in 280 Franken teuren D&C-T-Shirts lümmelnde Backfische vor dem McDonald’s einen Liter wässriger Cola in die Birne und ziehen sich nebenher einen matschigen Burger rein. Radebrechen Gedöns wie «Läck geil Man, isch ja total abgefuckt», «du Schlampe, fick dich», «sorry Star, was kicksch?» «nachher gömer go tanke gäll!?». Irgendwie kriegst du da nur was mit, wenn du Teil der Gruppe oder aber total high bist. Das zweite Motiv ist wenigstens temporär.

«Läck geil Man, isch ja total abgefuckt.»

Als Gegengewicht zu dieser geistigen und verbalen Leichtigkeit liegt die sündhaft teure Turenne MM von Louis Vuitton, notabene neben einem Knackarsch in hautengen Designerjeans, auf der schmierigen Holzbank. Die Ray-Ban, vorbei sind die Zeiten, wo solcherlei nur echte Kerle tragen durften, liegt apart inszeniert auf dem Tisch, eine Schachtel Marlboro daneben. Rauchen ist in. Das auf den Boden Aschen auch. Dort landen übrigens auch die Kippen. Wen kümmerts? Niemand, denn da liegt schliesslich noch haufenweise anderer Dreck. Das Schuhwerk dafür, das ist erste Sahne. Viel Prada,ein bisschen Kenzo, vereinzelt Jil Sander, etwas seltener Santoni.

Aussen fix und innen nix
Man siehts, da wird geklotzt. Aber so richtig. Und damit man diese «wertvolle» Klientel künftig ebenfalls beliefern kann, korrigieren Jean-Claude Biver und Konsorten die Preise für teure Zeitmesser nach unten, lancieren Einsteigermodelle, oder, jetzt wird es richtig kreativ, man setzt auf «aussen fix und innen nix». In Bivers Worten tönt das dann so: «Eine Uhr für 10’000 Franken muss aussehen wie für 15’000 oder 20’000 Franken». Diese Aussage, so finde ich, passt wunderbar zum angepeilten Publikum. Sie zeigt ungeschminkt, worauf es den Exponenten, und zwar hüben und drüben, wirklich ankommt: nämlich auf «mehr Schein als Sein».

Schonungslose Realität für jene, die solchen Quatsch als erstrebenswert erachten und auch kaufen. Für den kritischen Beobachter hingegen ein Meisterstück einer gedanklichen Fehlleistung und ein Paradebeispiel dafür, wie Luxus niemals verstanden werden sollte. Wahrer materieller Luxus, werter Leser, ist etwas Elitäres und das ist gut so. Beides hat aber mit hohen Stückzahlen, Massenkonsum und Handel via Internet nichts zu tun. Aber auch wirklich rein gar nichts. Capisce?

Text: Urs Blöchliger | Fotografie: Karine & Oliver

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