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4. Mai 2018
Vom Leben und Hausaufgaben

Direktorin mit grossem Herz

Autorin Andrea Keller trifft Liliana Stiens. Die Damen verstehen sich gut und sprechen über Gott und die Welt. Und über Hausaufgaben.

Ein sonnenschöner Freitag im April. Ich stehe im Eingangsfoyer des Tertianums in Zürich Enge und habe ein Date mit der Direktorin. Liliana Stiens. Sie kommt auf mich zu, breitet die Arme aus und wächst mir sogleich ans Herz. Wir sagen «du». – «Du bleibst doch zum Essen?», fragt sie. Nicht heute. Heute habe ich nur ein Stündchen Zeit. Es werden zwei Stunden daraus, und hätte ich gewusst, wen ich da kennenlerne: Ich hätte mir den ganzen Tag reserviert.

Liliana lacht. Dieser Satz ist so stimmig, ich muss ihn gleich nochmal schreiben: Liliana lacht. Sie lacht aus ihren Lippen, die wunderbar zum Kleid passen. Rot. Wir haben auf der Terrasse Platz genommen. Seit 2013 leitet Liliana Stiens den Betrieb, eine Residenz mit rund 100 Bewohnerinnen und Bewohnern und 70 Angestellten. Aber über die Arbeit reden wir noch nicht, denn Liliana hat derzeit noch Ferien. Eigentlich. Und das Gespräch beginnt da: «Ich habe in Rotterdam die Tulpenausstellung besucht, De Keukenhof. Hast du davon gehört?» Habe ich. «Es war wunderbar. Blumen bestimmen oft, wo meine Reisen hinführen: Die Mandelblüten haben mich nach Mallorca gelockt, der Lavendel in die Provence, die Rosen nach Bulgarien.» – «Was liebst du denn so an Blumen?», will ich wissen. Sie antwortet sofort: «Deren Schönheit – den Duft.

Verwurzelt in Wundern
Liliana Stiens schwärmt mit charmantem Akzent. Ich erkundige mich nach ihren Wurzeln: «Wo bist du aufgewachsen?» Sie schreibt mir den Namen einer Stadt auf mein Notizpapier: Częstochowa. Das sei eine Art polnisches Lourdes, ein Ort des Glaubens, der Wunder. «Es gab Menschen, die den Weg vom Bahnhof zum Paulinerkloster jeweils auf Knien gingen, aus Dankbarkeit für ihre Heilung – und zugleich war das Leben kommunistisch geprägt.» Lilianas Elternhaus war sehr liberal. «Die Mutter hatte ein grosses Herz, der Vater einen scharfen Verstand. Die Grossmutter stammte aus dem preussischen Adel, war auf Anstand und Manieren bedacht.» Mit ihren zwei Geschwistern teilte sie sich ein Zimmer.

Liliana wuchs also auf, Liliana studierte, Liliana brach auf, Liliana brach aus: «Mit 23 unternahm ich einen ‹zweitägigen› Trip nach Lübeck. Von der Reise bin ich bis heute nicht zurückgekehrt.» Das Abenteuer sprudelt aus ihr heraus, alles fliesst, und ich baue mir aus Stichworten kleine Inseln: der 5. Oktober 1989, die Fähre, Lübeck und die Erkenntnis, dass sie nicht mehr zurück will. Liliana kann noch wenig Deutsch, arbeitet als Haushaltshilfe, bemüht sich und bekommt ein Stipendium an der Universität in Hamburg. Dann stirbt ihre Mutter, plötzlich. Die Ausbildung bricht sie ab, Trauer und Verunsicherung: Wer bin ich? Was kann ich? Wofür das alles? Und schliesslich die Liebe: Liliana lernt ihren Mann kennen, einen Bodenseeler. Er motiviert sie, «im Service» mit Menschen zu arbeiten, damit könne sie sich das Weiterstudieren finanzieren und ihre Sprachkenntnisse verbessern, sei sie «auf der sicheren Seite».

Mit der sicheren Seite schlägt Liliana ein neues Kapitel auf: Sie nimmt ihren Mut zusammen, greift zum Telefonhörer, bewirbt sich im Restaurant Hirschen in Berlingen. Liliana bekommt eine Chance und gibt vollen Einsatz – in den Nächten übt sie, Teller zu tragen, lernt Angebot und Preise auswendig. Während der Arbeit dann merkt sie sich die Namen fast aller Gäste. Zu letzteren zählt auch der damalige Kader des Tertianum. «Meine Chefin hat grosse Stücke auf die gehalten, mir gesagt: ‹Liliana, das Tertianum ist in der Schweiz sehr angesehen, es ist das Beste für alte Leute.›» – Die Erfolgsgeschichte der Seniorenresidenzen begann bereits 1982, mit der Zielsetzung: «Auf Basis einer umfassenden Wertekultur soll entscheidend zur Verbesserung der Lebensqualität älterer Menschen in der Schweiz beigetragen werden.» Dass Liliana heute, 2016, als Direktorin der Residenz in der Enge ihren tagtäglichen Beitrag dazu leistet, hätte die Serviceangestellte von damals wohl nicht zu träumen gewagt. Das heisst: vielleicht doch. Denn Liliana gewann im Hirschen an Selbstvertrauen, versprach sich, nicht unter ihrem Potenzial zu leben.

Liliana Stiens | Tertianum AG | Magazin Zürich
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«Die letzten zwanzig Jahre», sagt sie jetzt und lehnt sich im Stuhl zurück, «habe ich diszipliniert und nach und nach meine Hausaufgaben gemacht.» Ich bitte sie, ihre Vita zu umreissen. Die ist bemerkenswert, und ich scheitere beim Versuch, mir all die Ausbildungen und beruflichen Meilensteine zu notieren. Was ich nicht weiss: Auch mein Mobiltelefon, das auf dem Tisch zwischen uns liegt, in der Mittagssonne, hat aufgegeben. Es ist nicht mehr «Aufnahme-fähig», ist überhitzt. Doch Liliana sprudelt weiter. Dann plötzlich hält sie inne, schaut mich sorgenvoll an und fragt: «Hab ich dich vollgelabert, gell?» Ich lache, finde sie wunderbar und schüttle den Kopf: «Nein, alles gut, alles gut.» Das ist wirklich kein Gelaber, das sind Auszüge aus einem bemerkens- und erzählenswerten Leben.

Liliana Stiens | Tertianum AG | Magazin Zürich
Liliana Stiens | Tertianum AG | Magazin Zürich
Liliana Stiens | Tertianum AG | Magazin Zürich
Liliana Stiens | Tertianum AG | Magazin Zürich

Das Leben. Es ist kurz. Nur wer Glück hat, wird richtig alt, und mit dem Alter wiederum ist viel Unglück verbunden. Viele der Bewohnerinnen und Bewohner des Tertianums können noch relativ selbständig leben, die gute Küche geniessen, an Veranstaltungen teilnehmen – an einem Tanzkurs oder der Vorlese- und Diskussionsreihe «Was uns bewegt», zum Beispiel. Und trotzdem: Kein Mensch, auch nicht der Stärkste und nicht der Klügste, ist für die Ewigkeit gebaut. Schliesslich altert der Körper, und der Kopf, der verliert sich. Doch gerade ältere Menschen können sehr wertvolle Lehrer sein: «Hier wurde mir mehr Geduld beigebracht. Und manche ermahnen mich immer wieder: ‹Frau Stiens, leben Sie Ihr Leben.›» Mit ihren 49 Jahren sei sie für viele der Bewohnerinnen und Bewohner noch blutjung. «Seit ich hier bin, versuche ich Dinge, die mir wichtig sind, nicht aufzuschieben. Ich will das Leben und die Herausforderungen, die es mit sich bringt, geniessen, mit all meinen Sinnen.» Das klingt nach weniger Hausaufgaben. Eindeutig. Und es riecht nach… «Minze und Jasmin», sagt Liliana, angesprochen auf den Duft, mit dem sie sich kleidet. Minze und Jasmin.

Text: Andrea Keller | Fotografie: Karine & Oliver

Schlagworte: Andrea Keller, Erzählungen, Feuilleton, Gastfreundschaft, Gastronomie, Genuss, Hotel, Interview, Kolumne, Porträt, Wohnen, Zürich
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2 Kommentare
  1. Knöpfel
    Knöpfel sagte:
    10. Mai 2018 um 17:19

    Der Artikel «Direktorin mit grossen Herz» ist sehr rührend und ach doch so wahr geschrieben. Ich kann das zu 100 Prozent nachvollziehen. Danke an das Magazin Zürich für den genialen und bewegenden Artikel. Gut, gibt es solch aufgestellte und im Leben stehende Menschen wie Liliana Stiens, die für die «Alten» da sind.

    Weiter so Magazin Zürich – es sind die «best in class» Artikel, die ich immer wieder gerne lese. Oft auch mehrmals den gleichen Beitrag.
    Viel Erfolg weiterhin, Beatrice Elisabeth

    Antworten
    • Urs Blöchliger
      Urs Blöchliger sagte:
      11. Mai 2018 um 8:40

      Liebe Beatrice, guten Morgen
      Danke ganz herzlich für das Kompliment!
      Gerne gebe ich dieses an die Schreiberin Andrea Keller und die Protagonistin Liliana Stiens weiter. Ich bin voll und ganz mit, respektive bei dir: Es braucht solche Leute. Je länger, desto mehr.
      Ein wunderbares Wochenende wünsche ich und wünsche dir weiterhin viel Freude beim Lesen unserer Beiträge.

      Antworten

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