Schlaraffenland | Esther Bieri | Magazin Zürich

14. März 2018
Hectors Kolumne

Frühlingsgefühle in Rüderswil

Kürzlich träumte ich von Lilli. Sie ist süss, hat feine Locken wie ich – und riecht nach Schockolade.

Frauchen packt, obwohl wir nicht verreisen, und sie hängt dauernd am Telefon und hat ganz wichtige Besprechungen, weshalb sie unmöglich mit mir in den Wald gehen kann. Ich dachte schon, sie liebt mich nicht mehr. Aber dann fiel mir ein, es ist ja wieder Koffermarkt hier bei uns Rüderswil. Und da hat sie natürlich alle Hände voll zu tun.

Das mit dem Koffermarkt sollte ich vielleicht erklären: An diesem Tag wird nämlich allerhand Zeugs verkauft – nur keine Koffer. Es ist eher eine Art Flohmarkt für Selbstgemachtes von Kunst bis Kuchen. Koffermarkt heisst er nur, weil die Leute ihre Sachen eben aus Koffern verkaufen. Ich finde, das ist sehr praktisch. Und sieht auch irgendwie aufgeräumt aus, wenn alles aufgebaut ist im Dorf. Während der Markt für alle anderen hauptsächlich Arbeit ist, ist er für mich eher mit paradiesischen Gefühlen verbunden. Er kündigt den Frühling an. Nach dem alles erdrückenden Schnee des Winters erleben wir zwischen frischen Pilzen, Käse, Schokolade, Kräutern und getrockneter Salami die Auferstehung der Gerüche. Eben ein Paradies für Schnüffler wie mich.

«Da reisst mich Frauchens Stimme aus dem Traum und damit Lilli von meiner Seite.»

Mitten in diesem Paradies treffe ich Lilli. Ich komme gerade von meiner Tour über den Markt (ich helfe Frauchen ja, wo ich kann, und fange alles auf, was an den Ständen so an Köstlichkeiten zu Boden fällt, dann gibt es hinterher nicht so viel Arbeit mit dem Aufräumen) – da sehe ich sie am Würstchenstand sitzen. Sie hat kleine feine Locken wie ich. Sie ist sooo süss, denke ich, und setze mich neben sie. Lilli riecht nach Schokolade.

Ob ich sie jemals wiedersehe?
Ich liebe Schokolade, aber Frauchen sagt immer, Schokolade ist nichts für Hunde, weil Hunde davon krank werden. Aber mit Lilli ist das anders, sie riecht ja nur. Mir ist allerdings peinlich, dass ich so stark nach Trüffeln muffle. Das mag nicht jeder. Wie gut, dass uns in diesem Moment mein Freund der Würstchenbrater entdeckt. Er sieht mich fragend an. Und ich hebe ein wenig meine Schnauze und schnüffle in seine Richtung. Er versteht sofort, und wenig später kann ich Lilli auf eine leckere Wurst hinter dem Grillstand einladen. Ich überlege mir gerade, wie ich ihr gestehen kann, wie sehr ich sie …. Da reisst mich Frauchens Stimme aus dem Traum und damit Lilli von meiner Seite. Ob ich sie jemals wiedersehe? «Hector!» höre ich Frauchen rufen. «Raus aus dem Körbchen.» Ich bin immer noch ziemlich sauer wegen Lilli, als ich sie fragend ansehe. Sie schüttelt lachend den Kopf: «Wovon Du wohl wieder geträumt hast? Heute ist doch Koffermarkt. Wir müssen los!»

Text: Stephanie Schiller | Fotografie: Esther Bieri

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