Urs Blöchliger | Publizist | Magazin Zürich

23. Oktober 2018
Ideen, Anregungen und Impulse

Von Begriffen und ihrer Fassbarkeit

«Vision», «Mission», «Strategie, «Taktik» und «Leitbild» – diese und weitere Begriffe aus Wirtschaft und Politik grassieren wie die Masern.

Und nicht immer ist klar, was sie bedeuten oder wie sie korrekt angewendet werden. Das will ich – anhand eines konkreten Beispiels – in Ordnung bringen.

Muhammad Ali gilt als einer der grössten Sportler aller Zeiten und wird durch alle Böden verehrt und gefeiert. Am Anfang seiner Karriere wurde er noch als Grossmaul abgetan. Tatsächlich aber war Muhammad Ali ein Visionär. Jemand mit einer Vision von der Grösse seiner selbst. Er sah sich die ganze Zeit als einen aussergewöhnlichen Menschen. Sein unerschütterliches Vertrauen in diese Vorstellung war der Felsen, auf dem er sein Lebenswerk aufbaute.

Dem Tun einen Zweck geben
Die Parole «Ich bin der Grösste» war kein reines Blendwerk, es war seine Vision. Er fasste dieses Ziel in wenige Worte und formulierte es im Präsens. Handfester und leichter verständlich lässt sich eine Vision kaum auf den Punkt bringen. Noch genialer war, finde ich, dass der Olympiasieger von 1960 auch ausserhalb des Rings Einfluss nahm, und zwar nach echter Ali-Manier. Will sagen, lautstark und mit losem Mundwerk. Er nutzte seinen Bekanntheitsgrad, gab seinem Tun einen Zweck und machte daraus eine Mission: Menschen inspirieren und die Welt verändern.

Um die Vision Realität werden zu lassen und die Menschen von seiner Mission zu überzeugen, brauchte Ali eine Strategie, also einen langfristigen Plan. Er musste sich überlegen, wie er sich vom Ist-Zustand wegbewegen konnte, was er dafür benötigte, wo seine Stärken und Schwächen lagen, von wem er Unterstützung erhoffen durfte, wer seine möglichen Gegner waren und wie viel Zeit er fürs Training investieren musste, um diese zu bodigen. Zu letzterem bemerkte er: «Ich habe jede Trainingsminute gehasst. Aber ich habe mir gesagt: Gib nicht auf. Leide jetzt und lebe den Rest deines Lebens wie ein Champion.»

«Ist das alles, was du hast, George?»

Die Taktiken, also die Mittel, die Ali einsetzte, um seine Ziele zu erreichen, sind so berühmt wie berüchtigt. Dazu gehörten nicht nur boxerisches Können, Leichtfüssigkeit, ein gutes Auge, schnelle Reflexe und ein enormes Selbstvertrauen – Ali zermürbte seine Gegner mitunter auch mit Beleidigungen und Grobheiten. 1965, vor dem Kampf gegen Floyd Patterson, tönte er: «Ich werde ihn so übel schlagen, dass er einen Schuhanzieher braucht, um seine Mütze aufzusetzen.» In den legendären Kampf vom 30. Oktober 1974 in Kinshasa ging der sieben Jahre jüngere Weltmeister George Foreman als klarer Favorit. Ali überraschte alle mit einer neuen Taktik, liess, in den Seilen hängend, die Donnerschläge von Foreman auf sich einprasseln und verhöhnte seinen Gegner mit «Ist das alles, was du hast, George?» Als Foreman in der afrikanischen Hitze die Luft ausging, konterte Ali eiskalt, schmetterte «Big-George» zwei schnelle Links-Rechts-Kombinationen an den Kopf und schickte ihn in den Ringstaub. Reine Taktik. Alles Teil der Strategie.

Regeln in Frage stellen und Grenzen überschreiten
Boxlegende Muhammad Ali, so vermute ich, hatte kein Leitbild. Er war das Leitbild. Er war sich selbst Orientierungshilfe und arbeitete permanent an seinem Image. Es kümmere ihn einen Deut, was die Leute dachten, er sagte: «Lebe jeden Tag, als wäre es Dein letzter. Irgendwann wirst du Recht behalten.» Er hatte stets eine grosse Klappe. Aber er verstand auch, dass, wer nicht stehen bleiben will, Regeln in Frage stellen und Grenzen überschreiten muss. «Was ich körperlich erlitten habe, war es wert für das, was ich im Leben erreicht habe. Ein Mann, der nicht mutig genug ist, Risiken auf sich zu nehmen, wird niemals etwas im Leben erreichen.

Werte Leser, geschätzte Manager, liebe Freunde. Ob als Athlet, narzisstischer Schreihals, Rebell, überzeugter Wehrdienstverweigerer oder, zum Schluss, als schwerkranker und pflegebedürftiger Mann: Muhammad Ali war zeitlebens ein Superstar. Er bleibt auf ewig eine Ikone. Das liegt nicht zuletzt daran, dass er eine Marke geschaffen hat. Seine eigene Marke. Die Menschen wussten, wer er war und wofür er stand. Ob sie seine Ansichten billigten oder nicht, ist unwichtig. Sie wussten, woran sie mit ihm waren und verstanden seine Mission klar und deutlich. Er verzichtete auf Millionen von Dollars, nur um sich selber treu zu bleiben und seinen Traum zu verwirklichen. Man nennt das auch Format und Charakter. Zu diesem Thema mehr in Bälde.

Text: Urs Blöchliger| Fotografie: Karine & Oliver

Dieser Text erhebt keinen Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit, hat aber seine Gründe. Vor allem seine Hintergründe. Er wurde im Auftrag von Bourquin verfasst, dem Hersteller von Verpackungsmaterial nach Mass.

2 Kommentare
  1. B. Knöpfel
    B. Knöpfel sagte:

    Spannend mal die Wörter Vision, Mission, Strategie, Taktik und Leitbild in einem «sportlichen» Vergleich erklärt zu bekommen. So sind diese «Schlagwörter» einfach (-er) zu verstehen und auch zu speichern. Obwohl ich vom Boxen nichts verstehe, aber Muhammad Ali war auch mir ein Begriff für alle Facetten, die ihn prägten, wie sie in diesem interessanten Artikel beschrieben wurden. Werde an dieses konkrete Beispiel denken, wenn meine gängigen Begriffserläuterungen für die Zuhörer nicht genügend verständlich sind. Merci für diesen Beitrag.

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    • Urs Blöchliger
      Urs Blöchliger sagte:

      Liebe Beatrice, aber sehr gerne. Danke dir für die Rückmeldung und deine Meinung. Theorie und Praxis zu verknüpfen, das macht Spass. Und Sinn. Und in diesem Beispiel, so denke ich, passt alles. Dir weiterhin viel Erfolg und lass es mich bitte wissen, ob und wie du dieses «Denkmuster» in deine Workshops einbauen konntest – und wie das bei den Teilnehmern ankam. Lieber Gruss, Urs B.

      Antworten

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