Urs Blöchliger | Publizist | Magazin Zürich

29. Januar 2014
Schnäppcheneinkaufstour

Vernageltes Konsumentendenken

Dumm und unvernünftig: «Während sichtbare Statussymbole nicht teuer genug sein können, darf der Rest gar nichts kosten. Vorsicht sag ich da.»

Bin doch nicht blöd. Oder etwa doch ein bisschen? Denn eins will mir einfach nicht in die Birne: Wie konnte sich in unserem westlichen, auf Qualität und Bildung bedachten Gedankengut die Idee etablieren, billig sei clever? Ich meine, ist der Verbraucher geistig tatsächlich wach und weiss er, was hinter den Kulissen abgeht? Welch hässliche Konsequenzen Billigproduktionen haben?

Ich denke da nicht nur an Umweltverschmutzung, Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, Korruption und an miserable Arbeitsbedingungen. Ich frage mich ernsthaft, ob sich Herr und Frau Schweizer mit ihrem vernagelten Konsumdenken absichtlich selber den Ast unterm Hintern absägen.

«Irgendwie scheint die Gesamtkomposition aus dem Lot geraten.»

Schau hier, kuck da. Ohne Scham trägt man einerseits die protzigsten Uhren am Handgelenk, fliegt mit der ganzen Familie rund um den Globus in den Urlaub, besitzt an exklusivster Lage Wohneigentum, kleidet sich in überteuerte Designerklamotten und tut mit kostspieligen Hobbys gross. Synchron dazu studiert man zuhause Billigangebote von Aldi, H & M, Media Markt und Konsorten oder surft im Internet nach den rabattstärksten Tagesangeboten. Gipfeln tut diese Dekadenz schliesslich in der Rückfahrt einer Schnäppcheneinkaufstour ennet der Grenze. Nämlich dann, wenn der Preis für die Hundertlitertankfüllung des Geländewagens ohne Wimpernzucken hingeblättert wird. Im Kofferraum dafür Nahrungsmittel sowie andere Verbrauchs- und Konsumartikel, die nahe beim Nullwert liegen.

Teil des Räderwerks
Widersprüchlicher geht’s wirklich nicht, und irgendwie scheint mir die Gesamtkomposition aus dem Lot geraten. Während sichtbare Statussymbole nicht teuer genug sein können, darf der Rest gar nichts kosten. Vorsicht, sag ich da. Wer heute noch einen gut bezahlten Job hat, sollte sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. Vielmehr müsste er darüber nachgrübeln, ob seine Leistungen nicht auch irgendwie Teil dieses Räderwerks sind und was passiert, wenn man sich auch seinen Beitrag irgendwo billiger holen kann. Vielleicht ist es darum klug, bereits heute an morgen zu denken. Aber Sie kennen mich ja, das ist natürlich wieder nur so ein Gedanke von mir. Danke, dass Sie mich trotzdem ernst nehmen.

Text: Urs Blöchliger | Fotografie: Karine & Oliver

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