Schlaraffenland | Esther Bieri | Magazin Zürich

26. September 2017
Emmentaler Haus aus dem Jahre 1925

Bei Esther Bieri im Schlaraffenland

Wir kommen ziemlich rum in der Schweiz. Wobei es uns zuweilen in entlegene und dünnbesiedelte Gegenden verschlägt. Und das hat durchaus seinen Reiz.

Vergangenes Wochenende waren wir im Emmental. Das ist dort, wo die Zeit ein bisschen langsamer dreht, der Himmel tiefblau, die Hügel sattgrün, die Nacht ohne künstliches Licht ist – und still. So wunderbar still. Genauer gesagt waren wir bei Esther Bieri in Rüderswil im Schlaraffenland. Das ist kein Witz, heisst genauso wie der fiktive Ort aus diversen Märchen und fühlt sich buchstabengetreu so an.

Während wir das Berner Oberland ganz gut kennen, sind Sandra und mir die Emmentaler Alpen, dazu gehören auch das Entlebuch und das Napfgebiet, weniger bekannt. Weiss der Kuckuck warum, vielleicht deshalb, weil die Region ziemlich abgelegen ist, die Menschen dort als etwas verschroben gelten und im Allgemeinen als behäbig wahrgenommen werden?

Berndütschi Termini
Abgelegen ist Rüderswil tatsächlich. Das schläckt kei Geiss wäg, ist aber exakt das, was den Ort besonders macht. Hektik findet sich hier nicht, dafür prächtige, blumengeschmückte Emmentaler Gehöfte, die teils aus dem 18. Jahrhundert, der Blütezeit der Emmentaler Landwirtschaft, stammen. Und sollten die Menschen in diesem Teil der Schweiz tatsächlich etwas verschroben und behäbig sein, dann wäre Esther Bieri die Ausnahme von dieser Regel. Aufgeschlossener, geselliger und engagierter geht nun wirklich nicht. Herzlich ist sie ebenfalls. Und zwar so richtig erfrischend fadegrad. Sie macht die Musik nicht mit schönen Worten, sondern benutzt berndütschi Termini und lässt diesen umgehend, und ich meine dies wortwörtlich, Taten folgen.

«Im Schlaraffenland angekommmen.»

Über Esther und ihr aufgestelltes Wesen werden wir an anderer Stelle noch berichten. Ziemlich ausführlich sogar. Hier jedoch wollen wir noch einige Worte über ihren Laden, das Schlaraffenland, und die Wohnung, die darüber liegt, verlieren. Dort nämlich machten wir Station für eine Nacht – auf Empfehlung von unserem Freund Hannes Kirchhof, der vor kurzem seinen Urlaub hier verbrachte und äusserst angetan war von der heimeligen Umgebung und der reizenden Gastlichkeit. Zu Recht, muss ich sagen, und bedaure, dass wir nur eine Nacht blieben. Und das liegt nicht nur an der göttlichen Ruhe, den kuscheligen Betten und dem formidablen Frühstück, sondern hauptsächlich daran, dass man sich hier innerhalb weniger Augenblicke wohlfühlt und rundum behütet. Man kann auch sagen: «im Schlaraffenland angekommen».

Gelebte Wirklichkeit
Auf ihrem Blog schreibt Esther: «Niene geits so schön und luschtig wie bi üs im Ämmital!» Dieses Volkslied sei für sie eine Aufforderung, Kunden und Gästen von nah und fern stets das Beste mitzugeben. Weiter sagt sie: «Mir chrampfed gärn und viel im Aemmitau, und das mit Herzbluet». Wer im Laden steht, die unzähligen Leckereien sieht, die da präsentiert werden, auch davon kosten darf, dabei Esther zuhört, woher all die Köstlichkeiten stammen und wie diese verarbeitet werden, dem wird schnell klar, dass dieses Credo kein Lippenbekenntnis ist, sondern gelebte Wirklichkeit.

An diesem Leitfaden ist jedoch nicht nur das Ladenkonzept, Herzstück des Schlaraffenlands, aufgefädelt. Das B&B im ersten Stock spricht ganz genau dieselbe Sprache. Genauso wie die Ausstellung mit Wohnaccessoires und Möbeln in der Etage darüber und im Dachstock. Alles hübsch unter einem Dach, im Übrigen in einem putzigen Emmentaler Haus aus dem Jahre 1925. Ich könnte jetzt sagen, und dieser Vergleich würde ganz gut passen, was Esther Bieri in Rüderswil betreibt, ist nichts anderes als ein Konzept-Store. Mit dem Unterschied, dass die gute Laune versprühende Bernerin den Grossstädtern um Längen voraus ist und die dahinterliegende Idee mit Bravour umgesetzt hat. Wobei sie mit dem Verwirklichen, auch das hat sie augenzwinkernd kundgetan, noch lange nicht fertig ist. Was die Vermutung nahelegt, dass wir bei unserem nächsten Besuch viel Neues entdecken dürfen. Und darauf sind wir sehr gwundrig.

Text: Urs Blöchliger | Fotografie: Jeroen Seyffer

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