4. Januar 2016
Fotograf, Maler und Regisseur
Walter Pfeiffer
Eine tiefe Sonne, die Hand greift nach dem Hebel über der verchromten Schaltkulisse, Finger fächern über den kugelrunden Knauf. Der Gegner auf dem Monterey Raceway nur noch ein Punkt in der Fahrbahnmitte. Der 308er Ferrari, der Bolide der Achtziger, frisch frisiert. Ein Sandkorn am falschen Punkt und der Ventilsitz ist hinüber.
Bevor er Fotograf wurde, lebte Patrick Stumm einen Traum, der slightly out of focus war: to make a living runnin’ hot cars. Mit zwanzig brach er seine Zelte in der Schweiz ab und ging in die USA, brachte Motoren zum Dröhnen, glänzendes Chrom unter der goldenen Sonne Kaliforniens.
Ein Stück von ihm blieb hier. Das war Walter Pfeiffer geschuldet. Der heute weltbekannte Künstler und Fotograf, der mit seinen Fotos Werbe- und Kunstgeschichte schrieb, hatte in den frühen Siebzigern erstmals eine Kamera in die Hand genommen. Für seinen zweiten Fotoband fotografierte er die Gesichter der Jugend in den Achtzigern und nannte das Buch «Das Auge, die Gedanken, unentwegt wandernd.» Auf einem der Bilder der sechzehnjährige Patrick Stumm. Seit diesem Fotoshooting sind die beiden freundschaftlich verbunden.
Auch Patrick begann in den USA zu fotografieren. Im Fokus hauptsächlich Flugzeuge, keine Autos. Die restaurierte er, mittlerweile wieder in der Schweiz, und verkaufte sie an Oldtimer-Liebhaber. Irgendwann zog er die Reissleine, verkaufte seinen ganzen Fuhrpark, die Buick Rivieras und selbst den Jaguar XJ 4. Er nahm die Kamera zur Hand und lernte das Handwerk von der Pike auf, am Set, im Labor. Analoge Fotografie auf der Zielgeraden, kurz bevor die digitale Fotografie ins Rennen ging und ihren Siegeszug antrat.
Er heuerte als Assistent an, ein Fotoshooting auf dem Nil, eine tiefe Sonne, Sand in den Augen, aber kein Sandkorn auf der Linse. Er rutschte in die Modefotografie, fotografierte für den Zürcher Modedesigner Hannes B. Es folgten Werbe-Engagements, internationale Aufträge, und irgendwann rief ihn Walter Pfeiffer an und fragte seinen zweiundzwanzig Jahre jüngeren Freund um Rat: technische Fragen zur Fotografie.
So war das, und irgendwann drehte er, Patrick Stumm, den Spiess um. Das ehemalige Jugendmodell aus Pfeiffers Buch holte den Altmeister vor seine Kamera. So entstanden die berührenden Porträts. Eine Hand – wessen Hand? – greift nach dem Kopf des Künstlers, einem Fächer gleich legen sich die Finger über die hohe Stirn, der selbstsichere Blick bleibt: «was luegsch?»
Nach Mode und Werbung entwickelte er sich zum Redaktionsfotografen. Bäcker bei der Arbeit, Ärzte wollten fotografiert sein. Schliesslich waren da die Porträts: Wenn sie die Königsdisziplin der Fotografie darstellen, dann ist Patrick Stumm ein Arbeiter im Garten des Fürsten. Nie sieht man die Menschen ungeschminkter, selbst wenn sie Make-up tragen. Sind nicht die Augen der Spiegel der Seele? So wie auf den Porträts des Freundes und Künstlers Walter Pfeiffer.
Kann man Patrick Stumm ohne Walter Pfeiffer denken? Man kann. Und trotzdem haben der heute 70-jährige Altmeister der Fotografie und Grafik und der 48-jährige Fotograf eine gemeinsame Geschichte, die sie bis heute verbindet und prägt. Es ist eine Geschichte aus Fotos. Und Freundschaft.
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