Die rote Buche von Berg am Irchel | Feuilleton | Magazin Zürich

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Die rote Buche von Berg am Irchel

Wenige hundert Meter nordöstlich von Berg am Irchel erhebt sich der Stammberg. Eine bewaldete Hügelkuppe von geringer Höhe, die der Unwissende kaum beachtet.

Eingeweihte hingegen wissen um eine makabere Geschichte, die sich in diesem kleinen Forst zugetragen haben soll. Folgende Erzählung von Hans Herzog ist wohl die bekannteste dazu:

Eine schwere Hungersnoth lastete einst auf dem Lande und hatte eine todbringende Seuche zu ihrer Gefährtin. Alles starb weit und breit hinweg bis auf drei Brüder, die sich zärtlich liebten. Ihre Eltern, die in das Thal hinabgestiegen waren, um Nahrung zu holen, starben unterwegs. Sie waren Waisen und ohne Rath. Spärliche, unter dem Schnee hervorgekratzte Wurzeln nährten sie.

Man bestattete sie rund um den Buchensprössling
Als der Frühling kam, sprang eine Feldmaus in ihre Nähe und wurde von ihnen erhascht. Nach einem langen Streite entschieden sie, dass der Jüngste das Blut aussaugen, die beiden Anderen das Fleisch geniessen sollten. Aber jener fuhr so hastig mit dem Thier nach dem Munde und war überdies so schwach, dass ihm das Thier in die Halsröhre hinab entschlüpfte. Er starb. Der Hunger riss die Anderen hin, den Leichnam zu verzehren, wobei einige Tropfen des noch warmen Blutes die Blätter einer jungen Buche besprengten. Bald ergriff sie jedoch solcher Schmerz, dass sie an derselben Stelle zu sterben beschlossen. Verschlungenen Armes lagen sie, als ein Jagdfalke sie entdeckte und durch sein Geschrei verrieth. Der Jäger erfuhr von dem einem, eben sterbenden Jüngling das Schicksal der Brüder. Man bestattete sie rund um den Buchensprössling, auf welchem die Blutstropfen klebten. Und da, wo die beiden anderen Brüder ruhen, schossen nach Jahresfrist noch zwei andere Buchen auf und brachten ebenfalls Blätter mit rother Farbe empor.

«Alles starb weit und breit hinweg bis auf drei Brüder, die sich zärtlich liebten.»

Alle Jahre am Himmelsfahrtsfeste wird nun ein Volksfest gefeiert, zu welchem sich Zuschauer, selbst aus einiger Entfernung, einfinden, bei welcher Gelegenheit die jungen Landsleute Zweige von der einzig noch stehenden der drei Buchen mitzunehmen pflegen.

Text: Schweizer Sagen| Fotografie: Agentur

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