11. Oktober 2019
Anders, ist der bessere Weg
Des Imkers neue Aufgabe
Die Zukunft der Bienen liegt in den Händen der Imker. Aber anders, als Sie jetzt denken mögen. Und unter der Voraussetzung, dass sich deren Ziele ändern.
Wer meint, Imker seien per se Natur- und Tierfreunde, denkt falsch. Zumindest nicht um die Ecke. Genauer gesagt, er ignoriert, dass der Imker seine Bienen als Nutztiere hält, ähnlich wie der Bauer sein Vieh: teilweise unter fragwürdigen Bedingungen, dafür rundum ergebnisorientiert. Ich sage nicht, Imker seien keine hervorragenden Honigproduzenten. Was ich sage ist, sie produzieren zu intensiv und verlieren das eigentliche Ziel aus den Augen. Die Bestäubungsleistung der Bienen. Womit wir beim Thema wären.
Unterm Strich zählt die Bestäubungsleistung
Honig, werte Leserschaft, ist ein Nebenprodukt. Um nicht sagen zu müssen, er sei zweitrangig. Schon klar, dass Imker derlei nicht gerne hören und ihre Sicht auf die Dinge eine ganz andere ist. Schliesslich stecken sie da eine Menge Arbeit rein. Viel Zeit auch und mitunter beträchtliche Summen. Tatsache aber ist, dass Honig allein niemals einen hohen ökonomischen Stellenwert haben kann. Weil unterm Strich die Bestäubungsleistung der Bienen und ihrer Verbündeten aus der Insektenwelt zählt. Zum einen für reiche Ernteerträge, zum andern für die Biodiversität. Bleibt das eine aus, fällt das andere weg, ist es aus und vorbei mit der Gemütlichkeit auf Mutters Erde. So die Prognose.
Die tiergerechte Haltung und Pflege von Nutztieren bildet die Grundlage für eine gute Gesundheit der Tiere. Sie ist die Basis für eine leistungsfähige Landwirtschaft und die Produktion sicherer Lebensmittel. Diese Weisheit stammt nicht von mir. Das steht auf der Website des Bundesamtes für Veterinärwesen. Dort steht auch, dass Bienen zu den Nutztieren gehören. Um den Bogen zu schlagen: Nutztiere werden, so die gängige Praxis, in Massen gehalten, mit Kraftfutter vollgestopft, medikamentös behandelt, kastriert, künstlich vermehrt und nach Leistung gezüchtet. Mit dem Ergebnis, dass sich Krankheiten wie Lauffeuer verbreiten, hochansteckende Seuchen zu regionalen Totalverlusten führen können und gefährliche Erreger stets medikamentenresistenter werden. Manch ein Imker kann ein Lied davon singen. Der eine und andere Landwirt auch. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Der Diskurs ist längst nicht abgeschlossen
Auch mir ist klar, dass der Tier-Mensch-Ernährungskreislauf ziemlich komplex und fragil ist. Tiere dabei hauptsächlich im Verhältnis zum Nutzen für den Menschen in der Diskussion stehen. Weil es um Ernährungssicherheit geht und der Diskurs damit längst nicht abgeschlossen ist. Was mir hingegen deutlich weniger klar ist: Es liegt auf der Hand, dass Massentierhaltung weder für das Tier noch für den Menschen verantwortbar sein kann. Warum also beschäftigen sich Imker so gut wie nicht mit dieser gewichtigen Frage?
«40 Völker und mehr pro Bienenstand sind keine Ausnahmen.»
Die Schweiz ist ein gebirgiges Land. Mit zahlreichen Flüssen, Seen und hohen Alpengipfeln auf einer Gesamtfläche von 41’ 285 km² – wo derzeit rund 165’000 Bienenvölker angesiedelt sind. Im arithmetischen Mittel sind das pro Bienenzüchter zehn Völker – sprich deren vier auf einen Quadratkilometer eidgenössischen Bodens. Wirft man hingegen einen Blick auf die Urwerte des Median, besagen diese, dass 40 Völker und mehr pro Bienenstand keine Ausnahmen sind. Was unter anderem zu Dichtestress und Konkurrenzdruck bei der Nahrungssuche führt. Diese von Menschen geschaffenen Störungen sind zu verhindern. Unter allen Umständen. Sagt der gesunde Menschenverstand – und wird von der Wissenschaft bestätigt.
Jede Art hat ihre spezifischen Ansprüche
Mit Fug und Recht behaupten Imker, ihre Bienen würden, neben der Honigproduktion, einen guten Job machen und ihren Teil zur Bestäubungsarbeit beitragen. Und damit für die Artenvielfalt, die Landwirtschaft und für die Nahrungsmittelproduktion unerlässlich sein. Was sie allerdings nicht sagen ist, dass ihre gezüchteten Hochleistungsbienen höchstens ein Drittel der gesamten Bestäubungsleistung erbringen, den wild lebenden Völkern aber Pollen und Nektar streitig machen. Sie in den ohnehin schwindenden Lebensräumen noch mehr bedrängen, Krankheiten und Parasiten übertragen und damit ernsthafte Schäden im empfindlichen Ökosystem anrichten. Weil jede Art, jetzt reden wir von Bienen und zu bestäubenden Pflanzen, ihre spezifischen Ansprüche hat.
Wer jetzt denkt, es ginge hier darum, die Imker zu verteufeln, irrt ein weiteres Mal. Es geht darum, Missstände aufzudecken, altes Denken in neue Bahnen zu lenken und Wissen auszutauschen. Und zwar reziprok. In anderen Worten: Forschung sowie Tier- und Naturschutz müssen die Imker mit ins Boot holen. Um mit ihnen gemeinsam anhand von Erfahrungen, wissenschaftlichen Tatsachen und traditionellem Wissen die konventionelle Imkerei neu zu strukturieren. Und dabei aufzeigen, dass eine ertragreiche Honigproduktion durchaus möglich ist. Einfach unter anderen Voraussetzungen. Im Verhältnis zu einer gesunden Bienenpopulation und im ökologischen Gleichgewicht.
Text: Urs Blöchliger | Fotografie: Free The Bees
Hinterlasse einen Kommentar
Willst du mitreden?Sag uns, was du denkst.