Urs Blöchliger | Publizist | Magazin Zürich

17. Januar 2019
Unsägliches sagbar machen

Kompromisse machen unglücklich

Ob Kompromisse faul sind? Zweifellos sind sie das. Und obendrauf ein Verrat an sich selbst.

Ein Kompromiss ist nie die Lösung. Ein Kompromiss präjudiziert stets Gewinner und Verlierer.  Das Ziel muss ein Konsens sein. Alles andere erweist sich langfristig als Niete. Und zeugt von mangelnder Fähigkeit, überholte Denkmuster zu erkennen und von mangelndem Willen, sie zu ändern.

Wenn jemand schreibt, «das Schmieden von Kompromissen sei eine Stärke der Schweizer Politik und ein Grundpfeiler der schweizerischen Konsensdemokratie», dann hat dieser Jemand, um es höflich zu formulieren, nicht verstanden, dass zwischen Kompromiss und Konsens ein Unterschied besteht. Und ignoriert die Tatsache, dass erzwungenes Entgegenkommen, je länger je weniger, als Behelf zur Konfliktlösung taugt.

Einverstanden: Umgangssprachlich werden die Begriffe oft synonym verwendet. Vom Prinzip her funktionieren sie hingegen grundverschieden. Kompromisse sind, so definiert Wikipedia, gegenseitige und freiwillige Übereinkünfte unter beiderseitigem Verzicht auf Teile der gestellten Forderungen. Bedeutet in anderen Worten: nachgeben, entgegenkommen, anpassen, klein beigeben und irgendwann einknicken. Heisst auch: einen Kuhhandel abschliessen – in der Politik «Gegengeschäft» genannt. Jetzt komme einer daher und behaupte, solcherlei ertrotzte Abkommen hätten Hand und Fuss. Seien tragfähig und von Dauer.

«Der Konsens zielt auf Einstimmigkeit und Resultate ohne Widerspruch.»

Während der Kompromiss eisern versucht, bestenfalls die Mitte zu treffen, dabei die ursprüngliche Idee  bis auf einen kleinen billigen Rest verwässert und dadurch fortschrittliches Weiterkommen unmöglich macht, zielt der Konsens auf Einstimmigkeit und Resultate ohne Widerspruch. Durchführbar, wenn starre Betrachtungsweisen aufgegeben und über Grenzen hinausgedacht wird. Lösbar, indem eine Auslegeordnung gemacht wird, die Anliegen aller Interessengruppen auf den Tisch kommen und reihum Klarheit besteht, worum es im Konkreten geht. Dazu muss miteinander geredet werden, aufgeschlüsselt, was hinter den Wünschen steckt und nachgefragt, wenn etwas nicht verstanden wird. Sind die Fakten geklärt, die Wünsche und Erwartungen bekannt, wird gemeinsam nach Lösungen gesucht. Notabene nach neuen Lösungen.

Zwänge sind alles andere als wünschenswert
Ich sage nicht, das sei einfach. Was ich sage ist, dies ist die klügere Variante. Weil Vereinbarungen, die ohne Ringen um ein stetes Geben und Nehmen getroffen werden, klugerweise eingehalten werden. Da sie auf Akzeptanz, Anerkennung und Wertschätzung gründen und aus eigenem Willen zustande kommen. Kompromisse eingehen hingegen, etwas, das wir von Kindesbeinen an lernen, ist schlichtweg Blödsinn. Weil Kompromisse immer auch zwingende Notwendigkeiten und Drohungen einschliessen und wir alle wissen, mit Blick auf die EU beispielsweise: Zwänge sind alles andere als wünschenswert. Und förderlich erst recht nicht.

Text: Urs Blöchliger | Fotografie: Hannes Kirchhof

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